„Ich würde es sofort wieder machen“: Interview mit Caine-Allen Bauser von Mayer & Cie., Projektleiter MCN 2.0

Caine-Allen Bauser lebt seit fast einem Jahr in China. Er hat sich um den Umzug des Mayer & Cie.-Werkes von seinem bisherigen Standort in Shanghai nach Jintan gekümmert. Derzeit bereitet er die Produktion auf ihren Einsatz vor.

Unser Mayer & Cie.-Kollege hat eine beeindruckende Karriere hingelegt: Gerade mal vor acht Jahren hat er bei uns seine Lehre zum Produktionsmechaniker Textil begonnen. Bereits nach Ende des ersten Lehrjahres wusste er, dass er als Service-Techniker arbeiten und Mayer & Cie. Rundstrickmaschinen, wenn nötig, bis ans Ende der Welt folgen würde.

Wie lange arbeitest Du schon bei Mayer & Cie.?

Meine Ausbildung bei Mayer & Cie. habe ich im September 2016 begonnen, 2019 war ich fertiger Produktionsmechaniker Textil. Für mich ging es dann, wie gewünscht, direkt in den Service. Das heißt, ich war weltweit unterwegs, um neue Maschinen zu installieren, Bestandsmaschinen zu reparieren oder Fehler zu lösen, bei denen die Stricker nicht selbst weiterkommen.

Gleich mein erster Service-Einsatz wurde zur Feuertaufe: Zusammen mit einem erfahrenen Kollegen bin ich nach Polen gereist, um dort Maschinen in Betrieb zu nehmen. Schon auf der Fahrt musste sich der Kollege übergeben; bis zum Abend hatte sich sein Zustand so verschlechtert, dass er mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gefahren wurde. In dieser Nacht habe ich kaum geschlafen und auch in den ersten Stunden der Montage vor Ort war ich enorm nervös. Irgendwann hat sich das zum Glück gelegt, ich konnte die Montage ordentlich abschließen. Mein Kollege ist auch längst wieder gesund; allerdings hat er die gesamte Zeit in Polen im Krankenhaus verbracht.

Das war eine heftige Erfahrung und trotzdem wollte ich sie im Nachhinein keinen Deut anders haben. Ich musste einfach funktionieren. Das hat mich persönlich enorm weitergebracht.

Du hattest zu dem Zeitpunkt gerade Deine Ausbildung abgeschlossen. Wie alt warst Du, als Du in Polen auf Dich allein gestellt warst?

Ich war 29 Jahre alt, also nicht mehr ganz grün hinter den Ohren. Die Ausbildung zum Produktionsmechaniker war meine zweite. Mit 16 Jahren, direkt nach der Schule, habe ich Fahrzeuglackierer gelernt. Das war aber nie mein Traumberuf.  

Mit Mitte zwanzig habe ich mich nach einer Ausbildung zum Industriemechaniker umgesehen. Bei Mayer & Cie. hat man mir den Produktionsmechaniker empfohlen, wofür ich mich schnell entschieden habe. Schon im ersten Lehrjahr wusste ich, dass ich in den Service möchte.

Hast Du noch weitere Abenteuer als reisender Service-Techniker parat?

Hm, lass mich nachdenken … 2022 war ich in Indien unterwegs. Es war Dezember, ich hatte eine Maschine in Delhi zu reparieren. Als die Maschine wieder lief, war der Kunde so dankbar, dass er einen buddhistischen Mönch herbeirief, der die Maschine und mich segnen sollte. Bei der Zeremonie habe ich diesen typischen Punkt auf meine Stirn bekommen – und mich sehr geehrt gefühlt.

Was ist deine aktuelle Position?

Ich bin Projektleiter bei Mayer & Cie. China; manchmal bezeichne ich meine Position scherzhaft als „Projektleiter MCN 2.0“. Ich bin zuständig für den Umzug der chinesischen Mayer & Cie. Tochter von Shanghai nach Jintan, für die Planung und die Produktion.

Wie bist Du dazu gekommen?

Im April 2023 ist Benjamin Mayer nach China gereist. Er hat die Entscheidung getroffen, das Werk umzuziehen; die Pläne waren älter, konnten aber wegen des Einreiseverbots während Corona lange Zeit nicht umgesetzt werden. Benjamin kam nach seiner Rückkehr auf mich zu und hat mich gefragt, ob ich das Projekt übernehmen würde. Meine Entscheidung fiel schnell positiv aus. Im August 2023 bin ich bereits nach China umgezogen. Da war einiges an Bürokratie, das wir lösen mussten: Ich brauchte eine Arbeitserlaubnis, ein chinesisches Bankkonto. In Deutschland habe ich derzeit keinen offiziellen Wohnsitz mehr, ich habe einen chinesischen Arbeitsvertrag und bin vor Ort auch gemeldet.

Vieles ist ganz anders als zuhause, es fühlt sich umständlicher an. Gewöhnungsbedürftig sind die allgegenwärtigen Kameras, deren Bilder von künstlicher Intelligenz ausgewertet werden. Amerikanische Kommunikationsanbieter wie Google oder WhatsApp sind verboten. Das Misstrauen allem Amerikanischen gegenüber geht noch deutlich weiter: Chinesen weigern sich schon mal, Englisch zu sprechen. Selbst wenn deutlich ist, dass sie mich verstehen, antworten sie nicht in der Sprache.

Die „chinese firewall“ ist technisch ziemlich gut, es braucht daher Aufwand, um sich über ein VPN-Programm mit einem Server in Deutschland zu verbinden. In der deutschen Community, die es zum Glück auch hier gibt, werden die entsprechenden Tipps und Tricks gehandelt, für nahezu jede Lebenslage. Das ist insgesamt eine nette Gruppe; wir haben jeden Dienstag einen Stammtisch.

Puh, das klingt nach vielfältigen Herausforderungen. Konntest Du Dich auf diese Aufgabe vorbereiten?

Letztes Jahr, nachdem der Umzug beschlossen war, haben wir mit einem siebenköpfigen Projektteam die Planung begonnen. Am Anfang hatten wir ja nur eine leere Halle. Wie sollte die genutzt werden, wo was stehen, damit die Produktion sinnvoll und effizient funktioniert? Wir haben mit der Montage angefangen. Dazu haben wir den Bestand in Shanghai abgefragt, um zu wissen, von welchem Mengen wir überhaupt reden: wie viele Werkzeuge sind vorhanden, wie viele Maschinen und so weiter.

Kanntest Du China schon, warst Du vorab schon mal dort?

Nein. Ich bin im August 2023 direkt mit 60 Kilo Gepäck nach China geflogen. Anfangs waren wir noch zu zweit, Benjamin Mayer war dabei. Als ich in Shanghai ankam, am Flughafen den Schriftzug gelesen habe, da kam mir schon der Gedanke: Worauf hast Du Dich hier nur eingelassen?!  

Wie lange wirst Du noch vor Ort sein?

Am 25. August 2024 werde ich zurückfliegen. Ganz ehrlich, ich zähle die Tage! Aber nicht falsch verstehen: Ich würde es sofort wieder machen! Diese Erfahrung hat mich in allen Bereichen extrem weitergebracht.  

Was war die größte Herausforderung?

Die ersten Wochen waren die heftigsten, bis ich die Arbeitserlaubnis und den Führerschein hatte. Ein deutscher oder internationaler Führerschein hat keine Gültigkeit in China. Dann die Bankgeschichten: es hat nahezu 10 Wochen gedauert, bis ich richtig bezahlen konnte, bis WeChat funktionierte. Und bis ich die Basics des Lebens hier verstanden habe, beispielsweise wie man die Bahn nutzt, einen Fahrplan liest.

In Sachen Arbeit war der eigentliche Umzug von Shanghai nach Jintan sehr fordernd. Wir haben in Jintan alles eingepackt und hier wieder ausgepackt. Wir waren oft nur zu zweit: Vor unserer leeren Halle in Jintan stand ein vollgepackter LKW, das Zeug musste abgeladen werden. Oft standen wir bis Mitternacht in der Halle.

Wie sieht Deine Freizeit hier aus? Was machst Du am Wochenende?

Ich habe es durchaus „nett“: Meine Wohnung liegt im 15. Stock eines großen Compounds, wie man sie hier überall findet. Ich habe ein eigenes Auto und bin mobil.

Am Wochenende mache ich nicht viel. Die meisten deutschen Kollegen sind hier mit ihren Familien oder sind mit einer Chinesin verheiratet. Da sieht die Freizeitgestaltung anders aus. Klar gehe ich mal allein nach Shanghai am Wochenende – das sind 50 Minuten mit einem Hochgeschwindigkeitszug – oder lege mich mit einem Buch an den See, aber immer macht das auch keinen Spaß.

Kontakt zu halten mit der Familie und den Freunden in Deutschland ist schwierig. Die gängigen Kanäle, WhatsApp und Instagram beispielsweise, sind verboten. Die Zeitverschiebung von sechs bis sieben Stunden macht spontanes Telefonieren mit Freunden in Deutschland auch nicht einfacher.

Dieses Leben außerhalb der Arbeit, das fehlt mir am meisten. Ich verbringe viel Zeit allein.   

Was sind Deine Highlights?

Ich war mal in Shanghai in einem wichtigen Tempel. Dort habe mir von einem Mönch Armbänder für meine Patenkinder segnen lassen. Das war ein besonderes Erlebnis für mich. 

Mein Vater besucht mich in ein paar Wochen. Darauf freue ich mich sehr! Ich habe ihm ein Flugticket geschenkt, er kommt am 6. August. Er ist der erste, der zu mir kommt. Es war lange nicht einfach, ohne Visum einzureisen, die Flüge sind immer noch sehr teuer. In der Woche habe ich auch Urlaub, so dass wir viel Zeit miteinander verbringen können.

Wie geht’s weiter, wenn Du wieder in Deutschland bist?

Ich werde das China-Projekt weiter betreuen, bestimmt mehrmals im Jahr nach China reisen. Unsere Produktion steht, wir haben vom Strickkopfprinzip auf die Montage aus lokalen Teilen umgestellt. Es wird meine Aufgabe bleiben, die richtig ins Laufen zu bringen. Nächstes Jahr wird das Werk hier an SAP angebunden, dann werde ich mit IT-Kollegen vor Ort sein.

Auf was freust Du Dich am meisten, wenn Du Ende August nach Hause kommst, abgesehen von Deinen Freunden und Deiner Familie?

Auf das Essen!

Erster Tag in der neuen Heimat auf Zeit: Benjamin Mayer und Caine-Allen Bauser am Bund in Shanghai.
Gruppenbild des Mayer & Cie.-Teams in den neuen Räumen in Jintan.
Am Anfang war da eine leere Halle: Bereits ein Jahr im Voraus hatte sich das Planungs-Team in Deutschland Gedanken gemacht, wie die Produktion sinnvoll ausgelegt wird.
Freizeitgestaltung in China, Teil 1: Caine-Allen besucht den Chenghuang Miao Tempel in Shanghai.
Caine-Allen beim Besuch des Maoshan Tempels: fremdländisch und abenteuerlich, aber auch oft eine Solo-Unternehmung. Die meisten deutschen Expats sind mit Familie vor Ort oder mit einer Chinesin verheiratet.
Als Servicetechniker reist Caine-Allen Bauser im Dezember 2022 nach Indien, um eine Maschine zu reparieren. Der Kunde ist so dankbar, dass er Maschine und Servicetechniker segnen lässt.

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